Nostalgie in Bayerns Bergen

Seit über 200 Jahren wird in Bayerns Bergen gewandert und geklettert. Zwischen 1800 und 1900 bestiegen Hermann von Barth, Josef Enzensperger, Otto Ampferer, der "Kederbacher" und viele andere Bergbegeisterte die Gipfel zwischen Allgäu und Berchtesgadener Land. Warum blicken wir heute oft mit großem Interesse und einer gewissen Wehmut zurück auf die Ära von Hanfseil, Loden und Tricounischuhen? Waren die vermeintlich "guten alten Zeiten" wirklich besser? Was fasziniert an den historischen Photographien von den zu Klassikern gewordenen Touren in den Bayerischen Alpen?

Wirklichen Respekt verdienen der körperlicher Einsatz und die Entdeckerfreude der Vorfahren, die nicht über GPS, Müsliriegel, Vibram-Sohle und Gore-Membran verfügten und sich auf kaum ausgebauten Wegen nach oben mühten. Sie freuten sich am selben Fels und am selben Gipfelglück, wie wir das in Bayerns Bergen auch tun. Im Gedenken daran fällt unser Stolz über das Erreichte sicher etwas bescheidener aus und manch "erlittene" Entbehrung am Berg relativiert sich. Doch Vorsicht ist geboten, wenn der Blick zurück nostalgisch verklärt wird. Der "Kampf gegen den Berg" und der "Heldentod in der Nordwand" entsprachen fragwürdigen Werten der damaligen Zeit und wurden von unseligen Gesellen für ihre menschenverachtende braune Ideologie instrumentalisiert.

Eine sachliche, neutrale Rückschau führt uns die Vergänglichkeit der Dinge vor Augen und bewahrt die Leistungen der Altvorderen in respektvoller Erinnerung. Nostalgie in Bayerns Bergen - eine Rückbesinnung auf früher Selbstverständliches, wie z.B. die Fahrt mit dem Radl ins Gebirge, - kann höchst interessant und in Zeiten des Klimawandels zum Nach- und Umdenken anregen.
Alte Bilder dokumentieren das damalige Bergsteigen. Sie animieren zum Selbstversuch in historischer Ausrüstung, der die alten Zeiten eindrucksvoll nacherleben lässt. Er gibt auch Denkanstöße zum Reflektieren des eigenen Handelns.

Bildergalerie: Nostalgie in Bayerns Bergen I
Skitour mit historischer Ausrüstung auf die Lacherspitz


               

               

               

               

Nach dem Renovieren der Holzski und dem Anpassen der Kandahar-Bindung auf die Lederstiefel nutzten wir einen schönen Frühlingstag Ende März. Ziel war die Lacherspitz im Wendelsteingebiet. Im Anstieg funktionierten Ski, Bindung und Schuhe gut. Auch die Haftkraft der Jahrzehnte alten Seehund-Spannfelle überraschte uns. Beim Stemmbogenfahren über die Wendelstein-Ostabfahrt war schnell klar, dass wir fürs erste Mal nicht gleich eine schwarze Abfahrt hätten aussuchen sollen. Je weicher der Schnee wurde, desto schwieriger war es, kontrolliert zu fahren. Das muss man üben.


Bildergalerie: Nostalgie in Bayerns Bergen II
In historischer Kluft auf die Zugspitze


               

               

               

               

Mit gutem Gewissen kann man den Anstieg durch das Höllental auf die 2962 Meter hohe Zugspitze als schönste Bergtour Bayerns bezeichnen. Wo sonst findet man eine imposante Klamm, ein wunderschönes Hochtal, einen Gletscher und einen herausfordernden Klettersteig in einer Route? Wir begingen an einem strahlenden Spätsommertag in historischer Ausrüstung diese Tour mit Hanfseil, Tricounischuhe und dickem Loden - das fühlte sich ungewohnt an. Doch nach kurzer Eingehzeit haben wir uns schnell eingewöhnt. Während des Aufstiegs zogen wir neugierige Blicke auf uns und führten viele Gespräche: "Ja pfundig, dahoam hob i a no so a oids Zeigl…." Am Klettersteig mussten wir uns richtig konzentrieren und im Münchner Haus zeigte uns der Wirt die Bergschuhe seines Großvaters, der einst mit Hermann von Barth gestiegen ist!

Wir danken dem Alpinen Museum des Deutschen Alpenvereins in München herzlich für das zur Verfügung Stellen der historischen Ausrüstung.